Leseprobe aus dem Taschenbuch "Deutschland in der Spätbronzezeit" von Ernst Probst:
Südlich der Stader Geest existierte während der mittleren Bronzezeit von etwa 1200 bis 1100 v. Chr. im Bereich der Allermündung die nach dieser Gegend benannte Allermündungs-Gruppe. Sie gehörte wie die gleichaltrige mittelbronzezeitliche Lüneburger Gruppe zur Periode III in der erwähnten Chronologie von Oskar Montelius.
Zum Verbreitungsgebiet der Allermündungs-Gruppe zählten die Gebiete der heutigen Landkreise Hannover, Nienburg/Weser, Diepholz, Verden, Soltau-Fallingbostel und teilweise der Kreis Hildesheim. Im Kreis Soltau-Fallingbostel und im Ostteil des Kreises Verden war in der älteren Bronzezeit noch die Lüneburger Gruppe heimisch. Den Begriff Allermündungs-Gruppe hat 1989 der Hamburger Prähistoriker Friedrich Laux eingeführt.
Welchen Einflüssen die mittlere Weserregion ausgesetzt war, wird an der Zusammensetzung des Depots von Landesbergen (Kreis Nienburg/Weser) ersichtlich. Dieses wird zwar in die ältere Bronzezeit datiert, doch in der mittleren Bronzezeit herrschten dort sicherlich noch ähnliche Verhältnisse. Das Depot von Landesbergen besteht aus Schmuckstücken und Geräten. Eine solche Kombination ist typisch für den Südteil des Nordischen Kreises der Bronzezeit, also von Schleswig bis Stade.
Die kleinen Gürtelscheiben aus Landesbergen gehören zur Tracht der Stader und – ebenfalls nördlich der Elbe – der Dithmarscher Damen, die längsgerippten Armbänder sind lüneburgisch. Die beiden norddeutschen Absatzbeile mit geradem Absatz sind nach Erkenntnissen von Friedrich Laux typisch für eine Werkstatt, die irgendwo zwischen Nienburg und Verden/Aller gearbeitet hat.
Das Depot von Landesbergen umfaßte also Einheimisches (Absatzbeile), Stadisches (Gürtelscheiben), Lüneburgisches (Armbänder und Armring) sowie allgemein Nordisches (Zusammensetzung des Depots). Demnach nahmen die Menschen im Bereich der mittleren Weser von allen Seiten her Anregungen und Fertigprodukte auf. Nur die alltäglichen Geräte (Arbeitsbeile und wohl auch Sicheln) wurden vor Ort angefertigt.
Die Reste der drei bronzenen Sicheln aus dem Depot von Landesbergen veranschaulichen, daß später sicherlich auch die Angehörigen der Allermündungs-Gruppe Ackerbauern waren, die Getreide säten und ernteten. Daneben dürften sie wohl Viehzucht betrieben haben.
Von der Kleidung der Menschen dieser Gruppe blieben keine Stoffreste erhalten. Lediglich bronzene Fibeln und Nadeln konnten bisher gefunden werden. Die metallenen Haarknotenfibeln dienten den Frauen als Haarschmuck am Hinterkopf. Das weibliche Gewand wurde häufig durch Doppelradnadeln mit tropfenförmiger Öse zusammengehalten. Solche Doppelradnadeln waren zuvor auch von den Hügelgräber-Leuten in Osthessen getragen worden.
Zur Bewaffnung der Männer gehörten zunächst meistens Lanzen mit bronzenen Spitzen vom Lüneburger Typ mit Mittelrippe auf der Tülle. Nur in der Gegend von Hannover gab es ähnliche Lanzenspitzen ohne Mittelrippe. Die Stoßlanzen mit langem hölzernen Schaft und metallener Spitze wurden häufig durch längere bronzene Dolche ergänzt. Diese Ausrüstung entsprach weitgehend der Bewaffnung der mittelbronzezeitlichen Lüneburger Gruppe.
In einer Spätphase der Allermündungs-Gruppe ging man zu einer Bewaffnung aus Wurfspeer und Dahlenburger Kurzschwert über. Die Wurfspeere haben eine bronzene Spitze mit langer Tülle und kurzem rhombischen Blatt. Solche Speerspitzen waren in der Gegend von Hannover eher die Seltenheit, dort bevorzugte man andere kleinere Formen.
Eine schwere bronzene Lanzenspitze fand man in einem der Gräber von Laatzen (Kreis Hannover), leichtere Speerspitzen dagegen in Tüchten bei Oyten (Kreis Verden) und im Stadtteil Westenholz von Walsrode (Kreis Soltau-Fallingbostel). Ein 29,9 Zentimeter langes Dahlenburger Kurzschwert kam zusammen mit der bereits erwähnten Lanzenspitze in Walsrode-Westenholz zum Vorschein.
Wie in der südlichen Lüneburger Heide gehörten auch im Verbreitungsgebiet der Allermündungs-Gruppe bronzene Haarknotenfibeln und Doppelradnadeln zur Schmucktracht der Frauen.
Außerdem waren Schmuckstücke in Mode, die auf osthessische Einflüsse beziehungsweise Importe zurückgeführt werden können. Dazu zählten osthessische Halskragen aus Bronzeblech, Doppelradnadeln mit tropfenförmiger Öse und Stollenarmbänder mit sieben Rippen. Ein verzierter Halskragen, drei Doppelradnadeln und drei Stollenarmbänder mit sieben Rippen konnten in Gräbern des Ortsteils Elferdingen von Uetzingen (Kreis Soltau-Fallingbostel) geborgen werden.
Einzelne Armstulpen und Beinringe stammten aus Werkstätten des Ilmenau-Tales in der östlichen Lüneburger Heide. Die Beinringe wurden – nach Ansicht des Hamburger Prähistorikers Friedrich Laux – nicht von einheimischen Frauen getragen, sondern von solchen, die es durch Einheirat bis in die Gegend von Hannover »verschlagen« hatte. Denn die Beinringe sind den jungen Frauen angeschmiedet worden und konnten nicht täglich an- und abgelegt werden.
Die Schmuckstücke aus Osthessen und aus dem Ilmenau-Tal (Gegend von Uelzen und Lüneburg) dokumentieren Tauschgeschäfte mit dort heimischen Zeitgenossen. Vielleicht wurden die Tauschobjekte zumindest teilweise mit Wasserfahrzeugen auf der Ilmenau, Aller und Weser transportiert. Auch Wagen mit vorgespannten Zugtieren hat es damals sicherlich gegeben, obwohl die Speichenradreste aus dem Barnstorfer Moor im Kreis Diepholz unsicher datiert sind.
Im Verlauf der mittleren Bronzezeit setzte sich im Verbreitungsgebiet der Allermündungs-Gruppe allmählich die Brandbestattung durch. Der Brauch, die Toten mit bronzenen Grabbeigaben zu versehen, endete erst zu Beginn der jüngeren Bronzezeit (Periode IV). Der Verzicht auf die Beigabensitte macht es den Prähistorikern nahezu unmöglich, weitere Aussagen über die Regionalgruppen der damaligen Zeit zu formulieren.
Gräber aus jener Zeit sind vom Mastbruchholz bei Laatzen in der Gemarkung Grasdorf (Kreis Hannover) bekannt. Den dort bestatteten Männern hatte man jeweils eine Lanze und ein Kurzschwert mit ins Grab gelegt – einem davon zusätzlich noch eine Nadel -, obwohl ihre Leichname auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden waren.
Ein 1914 abgetragener Grabhügel auf dem Wittenberg nördlich von Walsrode-Westenholz enthielt einen Baumsarg, der mit einer Packung von Rollsteinen bedeckt war. Den männlichen Toten hatte man zusammen mit einem 29,9 Zentimeter langen Dahlenburger Kurzschwert und einer Lanzenspitze vom Typ Südergellersen-Bahnsen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Danach ist seine Asche in einen Baumsarg geschüttet worden. Bei der zweiten Bestattung in demselben Grabhügel fand man eine Lüneburger Lanzenspitze.
Seltener als Beisetzungen von Männern wurden bisher solche von Frauen erkannt. Die Frauen waren ausschließlich mit aus der Lüneburger Heide stammenden Schmuckstücken beerdigt worden. So fanden sich in Frauengräbern beispielsweise bronzene Haarknotenfibeln (Lehrte-Ahlten, Kreis Hannover), eine Gewandfibel (Esbeck, Kreis Hildesheim), ein Uelzener Armband (Nienburg, Kreis Nienburg/Weser) und Lüneburger Beinringe (Calenberg und Döhren, Kreis Hannover).
Eines der spätesten Gräber der Allermündungs-Gruppe kam in Tüchten bei Oyten (Kreis Verden) zum Vorschein. Dort wurde die Brandbestattung bereits in einer tönernen Urne vorgenommen. Zu den Grabbeigaben gehörten eine angeschmolzene kleinköpfige bronzene Nadel vom Typ Deutsch Evern und eine nicht dem Feuer des Scheiterhaufens ausgesetzte Lanzenspitze vom Typ Südergellersen-Bahnsen.
Ersterer und letzterer Typ sind nach den Fundorten Deutsch Evern, Südergellersen (beide Kreis Lüneburg) und Bahnsen (Kreis Uelzen) in Niedersachsen benannt ...
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