Montag, 7. Januar 2008

Die Aunjetitzer Kultur (etwa 2300 bis 1600/1500 v. Chr.)

Leseprobe aus dem Taschenbuch "Deutschland in der Frühbronzezeit" von Ernst Probst:

Als Dr. med. Cenek Ryzner (1845–1923) in den 1870er Jahren im böhmischen Únetice (Aunjetitz) ein urgeschichtliches Gräberfeld untersuchte, ahnte er nicht, welche Bedeutung dieses einmal erlangen würde. Denn nach jenem Fundort mit 31 Gräbern hat man später eine der wichtigsten Kulturen der Frühbronzezeit benannt. Ryzner, der Distriktsarzt von Roztoky bei Prag und Heimatforscher war, publizierte 1880 seine Ausgrabungsergebnisse und verzichtete dabei auf einen Kulturbegriff.

Ungeachtet dessen sprachen einige Prähistoriker am Ende des 19. Jahrhunderts spontan von Funden oder Gräbern des Typs Únetice. Der Name »Úneticer Kultur« tauchte erstmals in dem 1910 erschienenen »Handbuch der Tschechischen Archäologie« auf. Das Werk wurde von den Prager Prähistorikern Karel Buchtela (1864–1946) und Lubor Niederle (1865–1944) verfaßt. Der Ausdruck Úneticer Kultur ist heute noch in Tschechien und in der Slowakei gebräuchlich. In Deutschland und Österreich dagegen verwendet man den deutschsprachigen Begriff „Aunjetitzer Kultur« oder »Aunjetitz-Kultur«.

Es gab aber auch Versuche, noch andere Namen in die Fachliteratur einzuführen. Doch der nach dem mährischen Fundort Menín (Mönitz) geprägte Name «Mönitzer Kultur« konnte sich auf Dauer ebensowenig durchsetzen wie der auf einem mitteldeutschen Fundort fußende Ausdruck „Leubinger Kultur«.

Die Aunjetitzer Kultur ist gegen Ende der Jungsteinzeit aus der Glockenbecher-Kultur und der Schnurkeramischen Kultur hervorgegangen. Weil die Aunjetitzer Leute die Gewinnung sowie die Verarbeitung von Kupfer und Bronze beherrschten, markiert ihre Kultur den Beginn der Frühbronzezeit.

Nach heutiger Kenntnis existierte die Aunjetitzer Kultur von etwa 2300 bis 1600/1500 v. Chr. Sie war während der Frühstufe in Böhmen, Mähren, der Südwestslowakei, Schlesien, Niederösterreich, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt verbreitet. In der Spätstufe gab es sie auch im östlichen Niedersachsen sowie in Brandenburg und im Südwesten Großpolens.

Die ältesten Funde aus der Frühstufe in Mitteldeutschland (Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt) sind etwas jünger als die ältesten Hinterlassenschaften in Mähren, dem Kerngebiet der Aunjetitzer Kultur. Nach Ansicht der meisten Prähistoriker sind die Aunjetitzer in Mitteldeutschland aber nicht etwa geschlossen aus Mähren oder Böhmen eingewandert. Vielmehr machte sich im wesentlichen die einheimische Bevölkerung die Errungenschaften der Aunjetitzer aus dem Gebiet des heutigen Tschechien zu eigen.

Im östlichen Niedersachsen sind die typischen Erzeugnisse dieser Kultur erst in deren Spätstufe nachweisbar. In ihrer Nachbarschaft behaupteten sich noch Bevölkerungsgruppen, die auf dem Niveau der späten Jungsteinzeit standen. In Teilen von Sachsen (Oberlausitz), Sachsen-Anhalt (Altmark), Brandenburg (Niederlausitz, Uckermark) wurden die Metallurgie, Töpferei, Bestattungssitten und Religion der Aunjetitzer erst in beziehungsweise gegen Ende der Spätstufe übernommen ...

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